Was sind Behavior Patterns?

von Über den Otter...

Wir Menschen treffen etwa 20.000 Entscheidungen pro Tag (Wirtschaftswoche, 2008). Fast logisch, dass wir nicht jede davon rational abwägen können. Vielmehr verlassen wir uns oft – zu einem gewissen Grad – auf Intuition und Emotion. Und das fängt schon kurz nach dem Aufstehen an: Der Wecker reißt uns aus dem Schlaf. Zack, nochmal schnell die Snooze-Taste reingehämmert und fünf Minuten länger geschlafen. Dabei bräuchten wir die Zeit doch eigentlich für das Frühstück, oder? Ach Ruhe, Vernunft!

Marketeers wissen um unsere begrenzte Gehirnkapazität. Sie möchten unser schnelles, intuitives Denken gezielt ansprechen, um so unsere Entscheidungen zu beeinflussen. Im E-Commerce sind Trigger für sogenannte Behavior Patterns weit verbreitet. Hierbei handelt es sich um standardisierte Verhaltensmuster, auf die Menschen unbewusst zurückgreifen, um eine Entscheidung zu treffen. In Kombination mit A/B-Testing lassen sich so die User Experience und die Conversion Rate von Webshops signifikant steigern.

Behavior Patterns: Mentale Abkürzungen (Heuristieken) und Verzerrungen (Biases)

Bei Behavior Patterns handelt es sich zum großen Teil um Abkürzungen (oder „Trampelpfade“) auf dem Weg zu einer Entscheidung. Diese werden in der Fachsprache auch Heuristieken genannt. Sie helfen uns dabei schnell und mit vergleichsweise geringem kognitiven Aufwand eine Entscheidung zu treffen.

Mentale Abkürzungen helfen uns dabei, Entscheidungen zu treffen.


Dies lässt sich leicht nachvollziehen: Wann haben Sie das letzte Mal aktiv darüber nachgedacht, was Sie tun müssen, um mit dem Auto nach rechts abzubiegen? Sie blinken, schauen über die Schulter und lenken ein, anschließend lenken sie zurück, schalten hoch und beschleunigen. Dieses Verhalten ist längst standardisiert. Es bedarf keiner kognitiven Anspannung mehr. Doch während Ihrer Führerscheinprüfung war dies vermutlich noch ganz anders. 

Mentale Abkürzungen vereinfachen uns das Leben. Schließlich ist unsere Gehirnkapazität stark begrenzt und die Anzahl der Entscheidungen, die täglich getroffen werden müssen, unglaublich hoch. Doch der Gewinn an Effizienz geht mit einem Verlust an Genauigkeit einher. So sind kognitive Verzerrungen – neben Heuristieken – die zweite Grundlage von Behavior Patterns. Dies bedeutet, dass unsere mentalen Abkürzungen uns nicht immer zum korrekten Ergebnis führen müssen (Spreer, 2018).

14 Behavior Patterns kurz und knapp vorgestellt

Availability Heuristic

Fällt es uns leicht uns an eine Situation zu erinnern, in der wir das Produkt benötigt hätten, erscheint es uns relevanter. Wir schließen von der mentalen Verfügbarkeit der Anwendungssituation auf den Bedarf des Produkts, obwohl beide Faktoren nicht kausal zusammenhängen. Dies erklärt die Flugangst vieler Menschen: Durch die hohe Medienpräsenz von Flugzeugabstürzen, überschätzen wir deren tatsächliche Wahrscheinlichkeit (Tversky & Kahneman, 1973; Spreer, 2018).

Hohe Medienpräsenz von Flugzeugabstürzen führt zu überhöhter Flugangst.


Facial Distraction

Freund oder Feind? Die richtige Antwort auf diese Frage, konnte früher über Leben und Tod entscheiden. Auch heute noch ist sie omnipräsent: Schaut uns ein Mensch direkt an, nutzen wir viele unserer Ressourcen dafür, seinen Gesichtsausdruck zu deuten und ihn einzuschätzen. Da unsere Ressourcen begrenzt sind, schenken wir anderen Informationen dadurch deutlich weniger Aufmerksamkeit als dem Gesicht des Gegenübers (Friesen & Kingstone, 1998; Spreer, 2018).

Schaut uns jemand direkt an, verwenden wir viele Ressourcen darauf, ihn oder sie zu deuten.


Gaze Cueing Effect

Schon von klein auf orientieren wir uns an den Blicken unserer Mitmenschen. Selbst wenn wir uns nicht erklären können, warum sie in eine bestimmte Richtung schauen, fällt es uns schwer damit aufzuhören (Frischen, Bayliss, & Tipper, 2007; Spreer, 2018). Stellen Sie sich doch zum Beispiel mal mit zehn Leuten in die Stadt und starren in den Himmel. Sie werden viele neue Leute kennenlernen.

Wetten Sie sind dem Blick des Jungen gefolgt?


Joy and Fun

Unbequeme Aufgaben werden durch den Einsatz von spielerischen und unterhaltsamen Elementen erträglicher (Liu & Annett, 2000).

Barnum Effect

Haben Sie sich schonmal gefragt, warum Horoskope oder Wahrsager so beliebt sind? Die Erklärung dafür bietet der Barnum-Effect: Wir tendieren dazu eine vage und allgemeingültige Aussage über uns selbst als zutreffend zu interpretieren. Dies löst in uns das Gefühl aus, besonders gut verstanden worden zu sein. Dabei trifft die getätigte Aussage vermutlich auf die Mehrheit der Menschen zu. Der Effekt wird durch die verwendete Sprache (Konjunktiv vs. Indikativ), die angesprochenen Merkmale und Wünsche (universell vs. spezifisch) sowie das Framing (positiv vs. negativ) beeinflusst (Meehl, 1956; Spreer, 2018).

Blick in die Zukunft oder doch Opfer des Barnum-Effects?


Focusing Effect

Bei einer Entscheidung gewichten wir einzelne Aspekte überproportional stark. Dies liegt daran, dass wir uns nur auf eine begrenzte Anzahl an Dingen konzentrieren können. Dadurch erhalten Mainstream-Positionen oder Informationen mit Sensationsgehalt mehr Aufmerksamkeit als andere (vielleicht wichtigere) Aspekte. Auch Dinge, die im Kontrast zu unserem mentalen Bild stehen, werden unter Umständen ignoriert (Schkade & Kahneman, 1998; Spreer, 2018).


Context Dependent Memory

Sind Sie schonmal zum Kühlschrank gelaufen und haben mit dem Öffnen der Kühlschranktür vergessen, was sie dort eigentlich wollten? Dies liegt daran, dass wir Erinnerungen oft mit einem bestimmten Kontext verknüpfen. Daher neigen wir dazu, Dinge zu vergessen, die außerhalb des aktuellen Umgebungskontexts liegen (Godden & Baddeley, 1975; Spreer, 2018). 

Erinnerung ist an einen Kontext geknüpft: Was wollte ich denn nochmal aus dem Kühlschrank?


Primacy Effect

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass wir uns bereits nach 0,3 bis maximal 7 Sekunden ein Urteil von anderen Menschen bilden. Dies gilt auch für die Entscheidungsfindung. Oft entwickeln wir in einer sehr frühen Phase der Customer Journey eine Meinung, die später nur schwer zu verändern ist (Asch, 1946; Spreer, 2018).

Primacy-Effect –  der erste Eindruck zählt…


Recency Effect

Der Primacy Effect zielt auf die Speicherung von Informationen im Langzeitgedächtnis ab. Kurzfristig erinnern wir uns jedoch besser an die letzte Erfahrung, die wir gemacht haben. Diese wird schließlich nicht von anderen Informationen verdrängt und bleibt so besser im Gedächtnis. Kurzum: „Der erste Eindruck zählt (Primacy Effect), der letzte Eindruck bleibt (Recency Effect)“ (Atkinson & Shiffrin, 1968; Spreer, 2018).

Recency Effect – der letzte Eindruck bleibt.


Ambiguity Aversion

Wir Menschen neigen dazu, Unsicherheiten zu vermeiden. Deshalb wählen wir in Entscheidungssituationen, in denen ein Mangel an Informationen vorherrscht, oft die „sicherste“ Variante (Ellsberg, 1961; Spreer, 2018).

In-Group Bias

Haben Sie sich schonmal gefragt, warum Menschen vor dem Apple-Store campen, um das neueste Smartphone zu bekommen? Neben vielen weiteren Faktoren geht es um die Zugehörigkeit zu einer exklusiven Gruppe. Nämlich: Den ersten Besitzer des neuen Apple iPhones. Unsere soziale Identität und unser Selbstbewusstsein ziehen wir zu einem großen Teil aus unserer Gruppenzugehörigkeit. Daher legen wir auch größeren Wert auf die Meinung von Gruppenmitgliedern als auf die von Außenstehenden – unabhängig von deren tatsächlicher Kompetenz. Schließlich sehen wir unsere eigene „Gang“ gegenüber anderen Zusammenschlüssen als überlegen an (Brewer, 1979; Spreer, 2018). Durch den Kauf des neuesten Apple iPhones am Erscheinungstag trennen sich „Apple-Evangelisten“ somit ganz klar von „Nachzüglern“ und von den Besitzern anderer Marken ab. Diese Zugehörigkeit zu einer exklusiven Gruppe wiederum speist ihre soziale Identität und ihr Selbstbewusstsein.

Mere Exposure Effect

Je häufiger wir Informationen begegnen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir diese als richtig einschätzen. In den ersten Sekundenbruchteilen der Informationsverarbeitung prüft unser Gehirn, ob ihm die vorliegende Information bekannt vorkommt. Erkennen wir etwas Vertrautes wieder, stößt unser Gehirn das Glückshormon Dopamin aus, was ein Gefühl der Belohnung erzeugt. So kann die bloße Bekanntheit mit einem Produkt oder einer Information uns Unsicherheit nehmen und das wahrgenommene Risiko einer Entscheidung reduzieren (Spreer, 2018; Zajonc, 1968). Die starke Verbreitung von Fake News innerhalb der Gesellschaft kann zumindest zum Teil durch die unterbewussten Verhaltensmuster „In-Group Bias“ und „Mere Exposure Effect“ erklärt werden.

Paradox of Choice

Bei zu vielen Optionen treffen wir entweder garkeine Entscheidung oder eine, dir wir im Nachgang bereuen. Eine Vielzahl an Auswahlmöglichkeiten führt nämlich zu Unsicherheit und Angst. Unser Gehirn ist nicht darauf ausgelegt, alle Optionen rational abzuwägen. Vielmehr soll es mithilfe von Heuristiken den kognitiven Aufwand reduzieren. Gleichzeitig schaffen viele Optionen auch eine entsprechend hohe Erwartungshaltung. Diese kann oft nicht erfüllt werden, was zu Nachkaufdissonanz (Buyer´s Remorse) führt. Somit führt eine große Produktauswahl oft zu einer „schlechteren“ Entscheidung (Schwartz, 2004; Spreer, 2018).

Zu viele Auswahlmöglichkeiten führen zu einer schlechteren Entscheidung.


Foot-in-the-Door Technik

Wenn man sein Gegenüber zunächst um einen kleinen Gefallen bittet, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieser auch dem eigentlichen, größeren Anliegen zustimmt. Die positive Erfahrung aus dem ersten, kleinen Gefallen führt zu einer bestätigenden Rückkopplung. Schließlich haben wir der Person bereits einmal vertraut und geholfen. Außerdem haben wir dadurch ein bestimmtes Selbstbild von uns kreiert („Wohlwollen gegenüber dem Antragsteller“), mit dem wir konsistent bleiben möchten („Commitment and Consistency“) (Fredman & Fraser, 1966; Spreer, 2018).


3 Behavior Patterns und ihre Anwendung im E-Commerce

Scarcity

Bei einer Verknappung sorgen wir uns, dass das Angebot nicht mehr zur Verfügung steht, wenn unser Entscheidungsprozess zu lange dauert (Worchel & Adewole, 1975). Ein Verlust führt zu Unbehagen („Dissonanz“) und Angst (Kahneman & Tversky, 1979). Beides Gefühle, die wir unbedingt vermeiden möchten. Daher fällt unsere Einstellung dem Kauf gegenüber positiver aus und wir entscheiden uns stärker auf Basis von Heuristieken (Entscheidungshilfen siehe zum Beispiel „Social Proof“- Elemente). Außerdem wird die Knappheit als Zeichen der Begehrenswertigkeit des Produktes interpretiert (Spreer, 2018).

Scarcity ist eines der am häufigsten angewandten Behavior Patterns im E-Commerce. Gerade auf Reiseplattformen oder im Retail ist es ein beliebtes Mittel, um einen Verkaufsdruck zu erzeugen. Doch Vorsicht, handelt es sich um künstliche Verknappung kann dies schnell juristische Folgen nach sich ziehen. So musste Booking.com zum Beispiel im Juni 2011 eine Geldstrafe in Höhe von 250.000€ wegen irreführender Werbung zahlen. 

Seitdem weist die Webseite ausdrücklich darauf hin, dass die angegebene Verfügbarkeit nur für das eigene Portal gilt (Priebe, 2015). 


Verknappung mit negativem Framing bei booking.com


Auch Amazon macht sich das Behavior Pattern bei den kostenlosen Lieferoptionen zu Nutze. Wenn ich die Bestellung morgen erhalten möchte, muss ich sie innerhalb der nächsten 5 Stunden und 57 Minuten aufgeben. Darauf werde ich in der Buybox nahe dem Call-to-Action hingewiesen.

Interessanterweise ist die Ausgestaltung hier eine andere, man beachte zum Beispiel die Farbgebung, – der Effekt jedoch derselbe. Während rote Warnhinweise bei Booking.com eine Dringlichkeit erzeugen sollen, zeigt mir die grüne Schrift bei Amazon, dass ich hier einen Vorteil wahrnehmen kann – sofern ich denn zügig bestelle.

Verknappung mit positivem Framing bei Amazon.

Airbnb weist mich auf der Produtkdetailseite darauf hin, dass die Unterkunft “normalerweise ausgebucht“ sei und es sich daher um ein „seltenes Fundstück“ handeln würde. Dabei wird der Verknappungseffekt durch eine „Pseudo-Begründung“ („normalerweise ausverkauft“) noch weiter verstärkt. Die Aussage ist jedoch völlig unplausibel. Was bedeutet denn „normalerweise“? Im ganzen Jahr oder nur an den von uns angegebenen Reisedaten? Und wenn es um unsere Reisedaten geht, warum wird dies nicht explizit erwähnt („an Ihren Reisedaten normalerweise ausverkauft“)? Die Sinnhaftigkeit der Begründung spielt für uns Nutzer aber kaum eine Rolle. Schließlich haben Forscher herausgefunden, dass wir einer Bitte deutlich häufiger zustimmen, wenn eine Begründung für ihre Notwendigkeit mitgeliefert wird – unabhängig davon wie plausibel diese letztendlich ist (Langer, Blank & Chanowitz, 1978).

Verknappung mit unlogischer Begründung bei Airbnb.

Commitment & Consistency

Konsistenz ist ein Zeichen für Vertrauenswürdigkeit und Rationalität (Spreer, 2018). Daher streben wir danach unsere Handlungen und unser Selbstbild in Einklang zu bringen, um unseren Mitmenschen gegenüber konsistent zu erscheinen (Cialdini, 1984). Das bedeutet: Wenn wir uns einmal für ein Produkt entschieden haben, neigen wir dazu diese Entscheidung beizubehalten. Der Effekt ist stärker, wenn unsere Entscheidung freiwillig, aktiv und öffentlich erfolgt (Spreer, 2018).

Das Behavior Pattern „Commitment & Consistency“ wird im E-Commerce vor allem auf Produktdetailseiten und im Checkout-Prozess angewandt.

Der Merkzettel leitet die Kaufentscheidung indirekt ein und appelliert an unsere Konsistenz.

Bei medimops zum Beispiel werden dem Nutzer zwei Auswahlmöglichkeiten auf der Produktdetailseite geboten, nämlich das Hinzufügen zum Warenkorb und das Sichern im Merkzettel. Gerade bei der zweiten Option entfaltet das Behavior Pattern seine Wirkung.

Die kleine Entscheidung etwas auf den Merkzettel zu sichern, fällt dem Nutzer leichter und sie bereitet indirekt die Kaufentscheidung vor. Ein Produkt auf dem Merkzettel erweckt den Eindruck, als sei die Kaufentscheidung bereits getroffen. Mit diesem Selbstbild will der Nutzer konsistent bleiben.

Authority

Wir verfügen nicht über die kognitiven Kapazitäten, um alle Informationen zur Vertrauenswürdigkeit einer Quelle zu prüfen. In Unsicherheitssituationen verlassen wir uns daher oft auf den Faktor „Autorität“ als Entscheidungshilfe. Dieses Verhalten wurde uns schließlich von Kindesbeinen an beigebracht: Eltern, Lehrer, Polizisten, Ärzte oder Großeltern haben wir zu respektieren. Autorität kann auf unterschiedliche Art und Weise erzeugt werden: Durch Expertise, Erfahrung, Reichtum, Selbstbewusstsein oder eben durch Gütesiegel (Milgram, 1963; Spreer, 2018).

Der Webshop notebooksbilliger.de beispielsweise listet im Footer gleich drei verschiedene Gütesiegel auf: Das Bild-Siegel „Deutschlands Lieblinge“, die Auszeichnung „Preis Champions“ von Die Welt und das Ergebnis als „Bester Online Shop“ im Deutschland-Test von FOCUS. Hierdurch soll der Nutzer die Vertrauenswürdigkeit des Webshops anhand der Auszeichnungen dieser drei großen Medienhäuser bewerten. Dabei sind jedoch die inhaltlichen Aussagen (Beliebtheit vs. Preis vs. Usability) als auch die Zielgruppen der drei Siegelherausgeber (Bild vs. Die Welt vs. FOCUS) extrem unterschiedlich. Zusätzlich werden keine weiteren Hintergrundinformationen zur Vergabe der Siegel verlinkt. Die Auszeichnungen der drei großen Medienhäuser scheinen Autorität genug – die Details interessieren weniger.

Zahlreiche unterschiedliche Siegel bei notebooksbilliger.de

Ähnlich nutzen einige Onlinemarketing-Agenturen das „Google-Partner“-Siegel, um ihre Leistungen im Bereich der Suchmaschinenoptimierung (SEO) anzupreisen. Das Siegel als solches ist jedoch an Kampagnenerfolg, Werbeausgaben und fachliche Schulungen in Google Ads geknüpft. Das bedeutet, es zeichnet besondere Erfolge im Bereich der Suchmaschinenwerbung (SEA) aus. Für SEO-Agenturen gibt es kein Partnerprogramm oder ähnliche Gütesiegel von Google. Dies scheint jedoch nicht so entscheidend: Schließlich tritt der Effekt von Autorität als Entscheidungshilfe oft unabhängig vom logischen Bezug zwischen Siegel und Produkt auf (Spreer, 2018).

Weitere im E-Commerce häufig angesprochene Behavior Patterns sind die folgenden:

  • Liking
  • Social Proof
  • Trust Bias
  • Decoy Effect
  • Framing
  • Inner Dialogue
  • Anchoring
  • Magnitude Priming
  • Hyperbolic Discounting


Die Voraussetzungen für das Triggern eines unterbewussten Verhaltensmusters

Das Fogg Behaviour Model (2009) wurde von dem amerikanischen Verhaltensforscher B.J. Fogg entwickelt. Es beschreibt, die Voraussetzungen, die gleichzeitig gegeben sein müssen, damit ein Verhalten auftreten kann.


1. Motivation: Es muss einen Grund geben, ein bestimmtes Verhalten auszuüben. Der Autor unterscheidet in seiner Studie zwischen drei grundsätzlichen Motivationen, die Verhalten auslösen können.

  • Gefühle: Vergnügen bzw. Schmerz
  • Erwartungen: Hoffnung bzw. Angst
  • Zugehörigkeit: Soziale Akzeptanz bzw. Zurückweisung


2. Handlungsfähigkeit (bzw. Einfachheit): Der Nutzer muss fähig sein, dass betreffende Verhalten auszuführen. Laut Fogg (2009) besteht der Faktor „Einfachheit“ aus 6 Elementen, die sich gegenseitig bedingen. Ist nur eines dieser Elemente nicht gegeben, ist die Hürde zu hoch und der Nutzer kann die Handlung nicht ausführen.

  • (Keine) Zeit
  • (Kein) Geld
  • (Zu hohe) körperliche Anstrengung
  • (Zu hohe) mentale Anstrengung
  • (Zu wenig) Routine
  • (Abweichung der) sozialen Norm


3. Auslöser: Wenn Motivation und Handlungsfähigkeit gegeben sind, benötigt das Verhalten immer noch einen Auslöser. Fogg (2009) unterscheidet zwischen drei Arten von Auslösern:

  • Signal:
    Bei hoher Motivation und einer hohen Einfachheit der Handlung, reicht ein Signal als Auslöser (z.B. Hinweis auf Rabattaktion oder Erinnerung).
  • Facilitator („Ermöglicher“)
    Bei hoher Motivation, aber schwieriger Handlung, muss die Fähigkeit die Handlung auszuführen, gesteigert werden (z.B. Video-Erklärung im Bestellprozess).
  • Spark („Funke“)
    Bei einfacher Handlung, aber niedriger Motivation, reicht ein „Funke“ als Auslöser (z.B. motivierende Botschaften). So wird die Motivation des Nutzers gesteigert.

Dieses Modell lässt sich laut Spreer (2018) und Weller (2019) auch auf Behavior Patterns anwenden. Schließlich ist es ein häufig verwendetes Modell für den Zusammenhang von Triggern und Verhalten. Und auch unterbewusste, standardisierte Verhaltensmuster sind Verhalten. Ist einer der obigen drei Aspekte nicht gegeben, kann laut Modell auch trotz Anreiz kein „Behavior Pattern“ ausgelöst werden.


Bei wem wirken Trigger zur Ansprache von unterbewussten Verhaltensmustern?

Heuristiken und Verzerrungen gehören zur grundlegenden Arbeitsweise unseres Gehirns. Sie sind bei einer Vielzahl unserer Entscheidungen involviert – alleine schon aufgrund der hohen Anzahl der täglich zu treffenden Entscheidungen und unserer begrenzten mentalen Anspannung. Daher wirken sie grundsätzlichen bei allen Menschen. Die Stärke des Effekts ist jedoch abhängig von unterschiedlichen Faktoren (Spreer, 2018). Diese werden im nächsten Absatz vorgestellt.


Wie stark ist die Wirkung von Behavior Patterns?

Laut Spreer (2018) werden Behavior Patterns in einigen Publikationen stark glorifiziert. Doch so etwas wie den „Kauf-Knopf“ im Gehirn gibt es nicht! Die Ansprache von unterbewussten, standardisierten Verhaltensmustern sorgt nicht dafür, dass Nutzer gegen ihren Willen ein Produkt kaufen (Spreer, 2018). Ein Grund hierfür ist, dass die Online-Kundenreise nie vollständig auf Emotion und Intuition basiert (System 1). Bestellschritte, wie Adresseingabe, Versandmethode oder Zahlungsmethode werden vom Gehirn fast ausschließlich rational verarbeitet. Hierdurch wird System 2 aktiviert. Gerade beim Bezahlen sind Risiko und Verlustangst hoch, sodass das rationale, langsame Denken (System 2) seiner Kontrollfunktion gegenüber dem intuitiven, schnellen Denken (System 1) gerecht wird. 

Der Effekt von Behavior Patterns ist auch abhängig von Produkt und Nutzungskontext. Freizeitbezogene Produkte, wie zum Beispiel Filme oder Bücher, dienen oft dem Zweck der Unterhaltung. Das bedeutet, diese Produkte werden aus einer hedonistischen Intention heraus gekauft. Hierbei ist das rationale Denken von System 2 weniger stark involviert und die Kaufentscheidung basiert zu einem größeren Teil auf dem intuitiven, emotionalen Denken von System 1 (Spreer, 2018). Bei einem teuren, Gebrauchsgegenstand hingegen, basiert unsere Entscheidung stärker auf dem rationalen Denken (System 2). Wir kaufen nicht „aus der Intention und Lust heraus“, sondern machen zuerst eine Hintergrundrecherche oder vergleichen unterschiedliche Produkte miteinander.

Auch kulturelle Einflüsse, Fortschritt in der Customer Journey und Persönlichkeitsmerkmale („Rabattjäger vs. sicherheitsorientierter Käufer) können die Wirkung der unterbewussten Verhaltensmuster beeinflussen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Behavior Patterns „den notwendigen emotionalen Zustand“ für eine Kaufentscheidung anregen und damit dem motivierten und fähigen Nutzer, einen „Schubs in die richtige Richtung“ geben können (Spreer, 2018). Die Vorteile im Online-Kontext liegen auf der Hand: Die Kaufentscheidung erfolgt unmittelbarer als im stationären Handel, sodass die Wirkung auf Conversion und Umsatz direkter erfolgt. Gleichzeitig ist der Effekt mittels A/B-Testing sofort mess- und belegbar. Behavior Patterns wurden in wissenschaftlichen Studien evaluiert, meist jedoch außerhalb des E-Commerce-Kontexts. Daher wirken sie nicht universell, sondern dienen als relevanter Input für A/B-Tests in Bezug auf die individuelle Zielgruppe, Produkt und Webseite des Unternehmens. Dabei können sie dabei sogenannte „Conversion-Killer“ zu erfassen und mehr über die eigene Zielgruppe zu erfahren.


Buchempfehlung: „PsyConversion“ von Philipp Spreer

Für tiefergehende Informationen zum Thema Behavior Patterns im E-Commerce, empfehle ich das Buch „PsyConversion – 101 Behavior Patterns für eine besser User Experience und höhere Conversion-Rate im E-Commerce“ von Philipp Spreer. Hier finden Sie tiefergehende Informationen zur Wirksamkeitsmessung mittels A/B-Testing, zu den Limitationen der Behavior Patterns sowie eine ehtisch-moralische Diskussion.


Quellen

Asch, S.E. (1946). Forming impressions of personality. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 41(3), 258-290. 

Atkinson, R. C., Shiffrin, R. M. (1968). Human memory: A proposed system and its control processes. Psychology of Learning and Motivation 2, 189-195.

Brewer, M. B. (1979). In-group bias in the minimal intergroup situation: A cognitive-motivational analysis. Psychological Bulletin, 86(2), 307-324. In: Austin, W. G., Worchel, S. (Hrsg), The social psychology of intergroup relations. Brooks/Cole, Monterry, S 33-47.

Cialdini, R.B. (1984). Influence: The psychology of persuasion. Harper Collins: New York.

Ellsberg, D. (1961). Risk, ambiguity, and the Savage axioms. The Quarterly Journal of Economics, 75(4), 643-669. 

Fogg, B. J. (2009). A behaviour model of for persuasive design. In: Proceedings of the 4th international Conference on Persuasive Technology. ACM: Claremont, S. 40-47.

Fredman, J. L., Fraser, S. C. (1966). Compliance without pressure: the foot-in-the-door technique. Journal of Personality and Social Psychology 4(2), 195-202.

Friesen, C.K., Kingstone, A. (1998). The eyes have it! Reflective orienting is triggered by nonpredictive gaze. Psychonomic Bulletin & Review 5(3), 490-495.

Frischen, A., Bayliss, A.P., & Tipper, S.P. (2007). Gaze cueing of attention: visual attention, social cognition, and individual differences. Psychological Bulletin, 133(4), 694-724. 

Godden, D., Baddeley, A. (1975). Context dependent memory in two natural environments. British Journal of Psychology 66(3), 325-331. 

Kahneman, D., & Tversky, A. (1979). Prospect theory: An analysis of decision under risk. Econometrica, 47(2), 263-291.

Langer, E.L., Blank, A., & Chanowitz, B. (1978). The mindlessness of ostensibly thoughtful action: The role of “placebic” information in interpersonal interaction. Journal of Personality and Social Psychology, 36(6), 635-642.

Liu, C., Annett, K.P. (2000). Exploring the factors associated with Web site success in the context of electronic commerce. Information & Management, 38(1), 23-33.

Meehl, P.E. (1956). Wanted-a good cook-book. American Psychologist, 11(6), 263-272. 

Milgram, S. (1963). Behavioural study of obedience. The Journal of abnormal and social psychology, 67(4), 371-378. 

Priebe, A. (2015, 6. November). Irreführende Werbung: Aus Abmahnung wird Unterlassungsklage gegen Zalando. OnlineMarketing.de. https://onlinemarketing.de/performance-marketing/irrefuehrende-werbung-unterlassungsklage-gegen-zalando

Schkade, D.A., Kahneman, D. (1998). Does living in California make people happy? A focusing illusion in judgements of life satisfaction. Psychological Science, 9(5), 340-346; in Cherubini, P., Mazzocco, K., & Rumiati, R. (2003). Rethinking the focusing effect in decision-making. Acta Psychologica, 113(1), 67-81.

Schwartz, B. (2004). The paradox of choice: Why less is more. Ecco, New York.

Spreer, P. (2018). PsyConversion: 101 Behaviour Patterns für eine bessere User-Experience und eine höhere Conversion-Rate im E-Commerce. Springler Gabler: Wiesbaden.

Tversky, A., Kahneman, D. (1973). Availability: A heuristic for judging frequency and probability. Cognitive Psychology, 5(2), 207-232.

Weller, R. (2022, 15. Dezember). Konsumpsychologie und Behavior Patterns: Was Conversion-Optimierer wissen müssen. konversionsKRAFT. https://www.konversionskraft.de/konsumpsychologie/behavior-patterns.html

Wirtschaftswoche. (2008, 7. Juli). Zeitdruck im Job: 20.000 Blitzentscheidungen pro Tag. https://www.wiwo.de/erfolg/trends/zeitdruck-im-job-20-000-blitzentscheidungen-pro-tag/5445178.html

Worchel, S., Lee, J., & Adewole, A. (1975). Effects of supply and demand on ratings of object value. Journal of personality and social psychology, 32(5), 906-914.

Zajonc, R.B. (1968). Attitudinal effects of mere exposure. Journal of Personality and Social Psychology, 9(2), 1-27.

Related Posts

Otter-Diskussion: Was denken Sie?