Zwischen Urlaub und Marketing-Psychologie: 10 Behaviour Patterns bei Airbnb

von Über den Otter...

Jeden Tag müssen wir unzählige Entscheidungen treffen. Dabei können wir nicht jedes Mal rational abwägen, um die bestmögliche Lösung zu finden (System 2). Schließlich ist unsere Gehirnkapazität begrenzt. So ging es auch mir: Ein verlängertes Wochenende mit Family & Friends stand an. Und dafür musste eine Unterkunft online gebucht werden…

Aufgrund der begrenzten kognitiven Anspannung basieren viele unserer Entscheidungen auf Intuition und Emotion (System 1). Selbst bei so schönen Dingen, wie dem Buchen eines Kurzurlaubs. In solchen Fällen verlassen wir uns oft auf standardisierte Verhaltensmuster, sogenannte Behaviour Patterns. Dies scheint auch das Marketing-Team von Airbnb zu wissen. Während des Buchungsprozess bin ich über unzählige Trigger für diese standardisierten Verhaltensmuster gestolpert. Im nachfolgenden Artikel werden 10 Behaviour Patterns auf der Produktdetailseite von Airbnb vorgestellt.

Disclaimer: Die Unterkunft habe ich trotzdem (oder gerade deshalb?) gebucht 😉




1: Social Proof

2: Authority

3: Hobson´s +1 Choice + Commitment & Consistency


4: Liking

5: Focusing Effect

6: Hyperbolic Discounting + Inner Dialogue

7: Scarcity, Loss Aversion & Pseudo Justification

8: Commitment & Consistency

Übersicht: Die Behaviour Patterns auf der Produktdetailseite von Airbnb


Social Proof (Bewertungen)

Oberhalb der Bilder auf der Produktdetailseite werden mir die durchschnittliche Bewertung der Unterkunft sowie die Gesamtzahl der abgegebenen Bewertungen angezeigt. Damit soll mir Unsicherheit genommen werden und das wahrgenommene Risiko meiner Entscheidung für eine Unterkunft reduziert werden.


Die „Social-Proof“-Elemente sollen Vertrauen schaffen. In Situationen von Unsicherheit, orientieren wir uns am Verhalten anderer (Sherif, 1935). Schließlich haben andere Urlauber, die bereits gebucht haben, spezifischeres Wissen über die Unterkunft als wir.



„Social-Proof“-Elemente werden in der Regel nahe dem Call-to-Action oder unterhalb des Produkts platziert. Laut Spreer (2018) würden sie nur in Sonderfällen oben auf der Seite platziert werden. Die Bewertungen bei Airbnb finden sich oberhalb und unterhalb der Unterkunft sowie nahe dem Call-to-Action.



Authority (“Superhost”-Emblem)

Bei dem Vermieter der Unterkunft handelt es sich, um einen „Superhost“. Dies wird mir oberhalb der Unterkunft, in den USPs und mittels des Emblems neben der Überschrift mitgeteilt. Dieses „Gütesiegel“ soll mir die Entscheidung für eine Unterkunft vereinfachen.


Schließlich verfügen wir Menschen nicht über die kognitiven Kapazitäten, um alle Informationen bezüglich der Vertrauenswürdigkeit einer Quelle zu prüfen. Daher verlassen wir uns in solchen Unsicherheitssituationen oft auf den Faktor „Autorität“ als Entscheidungshilfe. Autorität kann auf unterschiedliche Arten erzeugt werden: Durch Expertise, Erfahrung, Reichtum, Selbstbewusstsein oder eben durch Gütesiegel (Milgram, 1963; Spreer, 2018). Auch viele Marken gelten als Autoritäten in ihrer Branche.

Dabei tritt der Effekt von Autorität als Entscheidungshilfe oft unabhängig vom logischen Bezug zwischen Siegel und Produkt auf (Spreer, 2018). Schließlich ist für uns Nutzer nicht einsehbar, warum gerade dieser Gastgeber von Airbnb als „Superhost“ ausgezeichnet wurde.


Hobson´s + 1 Choice Effect + Commitment & Consistency (“Teilen” oder “Merken”)

Oben auf der Produktdetailseite werden mir Optionen zum „Teilen“ und zum „Speichern“ der Unterkunft angezeigt. Im Vergleich zum Call-to-Action sind diese etwas weniger prominent platziert. Sie sollen mir weitere Entscheidungsmöglichkeiten bieten, den Fokus aber nicht weg vom Kauf lenken.


Haben wir nur eine Auswahlmöglichkeit (z.B. Unterkunft reservieren) verwenden wir all unsere mentale Anstrengung darauf, zu entscheiden, ob wir die Unterkunft reservieren möchten oder nicht. Sowohl die Option „Reservieren“ als auch die Option „Nicht Reservieren“ erhalten beide die gleiche Aufmerksamkeit. In 50:50-Situationen besteht gemäß dem Status Quo Bias eine Tendenz den Kauf nicht zu tätigen bzw. nicht zu reservieren. Wird nun jedoch eine weitere Option hinzugefügt (z.B. durch die Funktion „Teilen“ oder „Speichern“), verwenden wir weniger mentale Aufmerksamkeit auf die Option „Nicht Reservieren“ (Schwartz, 2004; Spreer, 2018). Beide Alternativen führen den Nutzer nicht aus dem Kaufprozess. Gleichzeitig wird unser Streben nach Konsistenz angesprochen (Commitment & Consistency). Haben wir erst einmal entschieden, dass wir eine Unterkunft mögen (z.B. durch das Speichern auf dem Merkzettel), möchten wir in unserer Entscheidungsfindung konsistent bleiben. Daher steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns für diese Unterkunft entscheiden. Dieser Effekt wird noch weiter verstärkt, wenn wir unsere Meinung öffentlich kundtun (z.B. durch das Teilen auf Social Media).


Je mehr Alternativen es gibt, desto schwerer fällt es uns eine Entscheidung zu treffen. Schließlich nimmt die Unsicherheit zu und damit auch der Aufwand, der für eine „gute“ Entscheidung notwendig wäre. Daher leidet die Qualität unserer Entscheidungen bei zu vielen Wahlmöglichkeiten. Dieser „Paradox of Choice“-Effekt greift in der Regel ab drei Optionen. Daher ist es gut möglich, dass der Hobson +1 Choice Effekt im vorliegenden Fall etwas weniger stark auftritt.


Liking (Überschrift “Gastgeber:in ist Clare”)

Interessanterweise geht es in manchen Überschriften auf den Produktdetailseiten nicht um die Ausstattung oder den Preis der Unterkunft. Vielmehr wird der Gastgeber mit Bild und Namen („Gastgeber ist Clare“) vorgestellt. Nun wissen wir bei wem wir übernachten werden. Dies soll Unsicherheit nehmen und Vertrauen wecken.

Wir lassen uns schneller von Menschen überzeugen, die wir sympathisch finden (Cialdini, 1984). Dabei kann Sympathie mithilfe von vier Ansätzen erzeugt werden: Ähnlichkeit (Liking), Vertrautheit (Halo-Effect), Kooperation und Lob bzw. Anerkennung (Reziprozität). Selbst wenn die Absicht des Gegenübers bekannt ist, können wir uns der Wirkung dieses Effekts nur schwer entziehen (Spreer, 2018).


Im obigen Beispiel wird auf Ähnlichkeit und Vertrautheit abgezielt, um Sympathie zu erzeugen. Dieses Verhaltensmuster wird gerade auf Webseiten mit Ferienwohnungen oder privaten Unterkünften oft bedient. Nutzer schließen zum Beispiel vom äußeren Erscheinungsbild der Person auf die Sauberkeit der Unterkunft.

Focusing Effect (USPs mit Icons)

Die USPs (Unique Selling Points) der Unterkunft werden mir unterhalb der Überschrift prominent angezeigt. Diese sind mithilfe von kleinen Icons bebildert.


Unser Gehirn kann sich nur auf eine begrenzte Anzahl an Dingen konzentrieren. Daher werden einige wenige Aspekte bei der Entscheidungsfindung überproportional stark gewichtet. Andere relevante Informationen, die für eine rationale Entscheidung womöglich wichtiger wären, werden dadurch gegebenenfalls weniger stark oder gar nicht mehr berücksichtigt (Schkade & Kahneman, 1998). Dies erklärt auch, warum wir uns bei vielen Entscheidungen auf unser intuitives, schnelles Denken (System 1) verlassen, anstatt die Argumente rational und mit kognitiver Anspannung abzuwägen (System 2). Die Platzierung, Gestaltung und Anzahl der USPs auf der Produktdetailseite von Airbnb soll dafür sorgen, dass die Nutzer die Unterkunft vor allem aufgrund dieser prominent herausgestellten Eigenschaften bewerten.


Laut Spreer (2018) lässt sich der Effekt mithilfe von Weißraum unterstützen. Leere Flächen würden Merkmale wirksamer betonen als typografische Hervorhebungen. Auch hätten sich bei der Darstellung drei bis vier Faktoren bewährt.


Hyperbolic Discounting & Inner Dialogue („Du musst noch nichts bezahlen.“)

Direkt unter dem Call-to-Action-Button sticht mir ein kurzer Hinweis ins Auge („Du musst noch nichts bezahlen“). Hiermit soll mir Unsicherheit genommen werden. Gleichzeitig wird der durch den Kauf entstehende „Schmerz“ durch das Wording zeitlich weiter nach hinten verschoben.

Die Verschiebung des Zahlungszeitpunkts durch Airbnb spielt auf das zeitinkonsistente Verhalten von Menschen an (Hyperbolic Discounting). Damit ist gemeint, dass wir kurzfristig sehr ungeduldig sind: Auf eine sofortige Belohnung würden wir nur im Austausch gegen eine hohe Prämie verzichten. Auf lange Sicht sind wir jedoch deutlich geduldiger und weniger empfänglich für hohe Verzichtsprämien. Ein Beispiel von Spreer (2018) verdeutlicht dies: Würde man Probanden vor die Wahl stellen, a) 50€ in sechs Monaten oder b) 60€ in sieben Monaten zu erhalten, würde sich der Großteil für letztere Variante entscheiden. Bringt man jedoch eine sofortige Belohnung ins Spiel (50€ sofort oder 60€ in einem Monat), kehrt sich dieses Verhalten um. Dabei ist das mögliche finanzielle Ergebnis bei beiden vorgestellten Varianten dasselbe. Lediglich die Zeitspanne bis zur Belohnung hat sich verändert.


Dieser Effekt tritt umgekehrt auch bei der Verschiebung des Zahlungszeitpunkts auf. Der normalerweise sofort auftretende Zahlungsschmerz (siehe u.a. Buyer´s Remorse) wird in die Zukunft verlagert. Dies erleichtert uns die Entscheidung für die Unterkunft. Gleichzeitig soll das positive Wording an dieser kritischen Stelle der Produktdetailseite als Motivator wirken und die Abbruchquote senken (siehe Inner Dialogue).


Es sorgt für ein positives Framing unseres mentalen Selbstgesprächs (Inner Dialogue). Hierdurch suchen wir in Gedanken nach weiteren Belegen, die diesen Impuls verstärken (z.B. Social Proof Elemente oder der Airbnb-Werbespot). Diese Belege wiederum sorgen für eine positivere Grundhaltung der Marke und dem Produkt gegenüber (Spreer, 2018).


Der ergänzende Satz („Der Preis pro Nacht beinhaltet die MwSt und sämtliche Gebühren.“) soll weitere Unsicherheiten bereits vor dem Checkout-Prozess eliminieren. Auch das Wording des Call-to-Action-Buttons selbst („Reservieren“ anstatt „Mieten“) vermittelt eine gewisse Unverbindlichkeit.


Scarcity, Loss Aversion & Pseudo Justification (“Das ist ein seltenes Fundstück“)

Mithilfe eines Extra-Banners wird mir unterhalb der Call-to-Action-Box vermittelt, dass die Unterkunft “normalerweise ausgebucht“ sei und es sich daher um ein „seltenes Fundstück“ handeln würde.


In vielen Entscheidungssituationen verhalten sich Menschen irrational. So wird der Schmerz eines Verlustes doppelt so hoch empfunden wie die Freude über einen Gewinn (Loss Aversion Theory). Dementsprechend führt ein Verlust zu Unbehagen („Dissonanz“) und Angst (Kahneman & Tversky, 1979). Beides Gefühle, die wir vermeiden möchten. Das Banner zielt auf diese psychologische Verhaltensweise ab. Gleichzeitig wird durch das Wording („Das ist ein seltenes Fundstück“) ein Gefühl der Verknappung erzeugt. Somit sorgen wir uns, dass das Angebot nicht mehr zur Verfügung steht, wenn unser Entscheidungsprozess zu lange dauert (Worchel & Adewole, 1975). Aufgrund des empfundenen Verlustschmerzes wollen wir dies unbedingt vermeiden. Daher fällt unsere Einstellung dem Kauf gegenüber positiver aus und wir entscheiden uns stärker auf Basis von Heuristieken (Entscheidungshilfen siehe zum Beispiel „Social Proof“- Elemente). Außerdem wird die Knappheit als Zeichen der Begehrenswertigkeit des Produktes interpretiert (Spreer, 2018).


Beide vorgestellten Effekte (Loss Aversion + Scarcity) werden durch eine Pseudo-Begründung („normalerweise ausverkauft“) noch weiter verstärkt. Dabei ist die Aussage eigentlich völlig unplausibel. Was bedeutet denn „normalerweise“? Im ganzen Jahr oder nur an den von uns angegebenen Reisedaten? Und wenn es um unsere Reisedaten geht, warum wird dies nicht explizit erwähnt („an Ihren Reisedaten normalerweise ausverkauft“)? Die Sinnhaftigkeit der Begründung spielt für uns Nutzer aber kaum eine Rolle. Schließlich haben Forscher herausgefunden, dass wir einer Bitte deutlich häufiger zustimmen, wenn eine Begründung für ihre Notwendigkeit mitgeliefert wird – unabhängig davon wie plausibel diese letztendlich ist (Langer, Blank & Chanowitz, 1978).


Bei rationaler Betrachtungsweise muss auch die Verknappung von Ferienwohnungen zumindest teilweise in Frage gestellt werden. Anders als bei Hotels werden in der Regel immer nur eine oder sehr wenige Einheiten angeboten. Hierdurch herrscht die Verknappung dauerhaft vor und stellt keine temporäre Situation dar, die einen Kauf durch „Verlustangst“ triggern sollte. Vielmehr wird hier mit unseren psychologischen Verhaltensweisen gespielt.

Commitment & Consistency („Wo du schlafen wirst“)

Links neben der Call-to-Action-Box werden mir Bilder vom Schlafzimmer angezeigt. Dabei sticht vor allem das Wording ins Auge („Wo du schlafen wirst“). Eine ähnliche Formulierung findet sich auch bei der Karten-Integration weiter unten auf der Seite („Wo du sein wirst“).


Das Streben nach Konsistenz spielt eine große Rolle in unserer Entscheidungsfindung. Unsere Handlungen sollen mit unseren Werten und unserem Selbstbild vereinbar sein. Das bedeutet auch: Haben wir uns erst einmal für etwas entschieden, neigen wir dazu diese Entscheidung beizubehalten oder sogar zu verteidigen (Cialdini, 1984).



Dieses Verhaltensmuster macht sich Airbnb zu Nutze, indem die Formulierungen auf der Unterseite den Eindruck erwecken, als hätte der Nutzer bereits eine Entscheidung getroffen. Dies soll dazu animieren, konsistent zu bleiben und die Unterkunft zu buchen. Dabei befindet sich der Nutzer eigentlich noch in der Entscheidungsfindung. Das Streben nach Konsistenz ist stärker, wenn die Entscheidung freiwillig, öffentlich und/oder aktiv getroffen wurde (Spreer, 2018). Hierdurch wird der Effekt auf der Webseite im Vergleich zu anderen Anwendungsfällen voraussichtlich etwas abgeschwächt.

Quellen

Cialdini, R.B. (1984). Influence: The psychology of persuasion. Harper Collins: New York.

Kahneman, D., & Tversky, A. (1979). Prospect theory: An analysis of decision under risk. Econometrica, 47(2), 263-291.

Langer, E.L., Blank, A., & Chanowitz, B. (1978). The mindlessness of ostensibly thoughtful action: The role of “placebic” information in interpersonal interaction. Journal of Personality and Social Psychology, 36(6), 635-642.

Milgram, S. (1963). Behavioural study of obedience. The Journal of abnormal and social psychology, 67(4), 371-378.

Schkade, D.A., & Kahneman, D. (1998). Does living in California make people happy? A focusing illusion in judgements of life satisfaction. Psychological Science, 9(5), 340-346.

Schwartz, B. (2004). The tyranny of choice. Scientific American, 290(4), 70-75.

Sherif, M. (1935). The psychology of social norms. Harper & Row: New York.

Spreer, P. (2018). PsyConversion: 101 Behaviour Patterns für eine bessere User-Experience und eine höhere Conversion-Rate im E-Commerce. Springler Gabler: Wiesbaden.

Wochel, S., Lee, J., & Adewole, A. (1975). Effects of supply and demand on ratings of object value. Journal of personality and social psychology, 32(5), 906-914.

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